Gräber von Isidor Lauter und Siegfried Richter auf dem Ostenfriedhof in Hamm

Wolfgang Komo macht Stadtgeschichte bei Friedhofs- und Stadtrundgängen lebendig

von Petra von der Linde, Stadtanzeiger Hamm, 12. Juni 2021

Hamm – Das kann er gut – und er tut es gern: Geschichte durch Geschichten zum Leben erwecken. Wolfgang Komo, Mitbegründer des Hammer Geschichtsvereins (HGV) und Ortsheimatpfleger Hamm-Mitte, begeistert sich für stadtgeschichtliche Zusammenhänge. „Man braucht Geschichte, um Hamm als Stadt zu begreifen“, findet der pensionierte Lehrer für Deutsch, Philosophie und katholische Religion, der seit Anfang der Achtzigerjahre in der Lippestadt lebt. Dass er nicht Geschichte studiert hat, empfindet er übrigens als Vorteil: „Das erleichtert mir einen unverstellteren Blick und den Zugang zu Dönekes.“

Bei seinen Spurensuchen sitzt der Hobbyhistoriker manchmal stundenlang in Archiven, surft durch die Tiefen des Internets und wälzt Buch um Buch. Oft ist detektivischer Spürsinn nötig, um Zeitläufe und Lebenslinien zu rekonstruieren. Einzelne ,Mosaiksteinchen zu einem ganzen Bild zusammenzufügen, bereitet ihm große Freude. Dabei faszinieren ihn besonders jene spannenden Details, die einen Menschen aus seinem Lebenslauf heraustreten lassen. Seine Themen findet er meist zufällig: Über eine Fußnote in einem Buch. Eine Randbemerkung bei einer Museumsführung. „Die Anlässe fallen mir zu“, sagt er.

Macht ihm nicht gerade die Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung, erzählt Wolfgang Komo bei Friedhofs- und Stadtrundgängen anschaulich aus längst vergangenen Zeiten. Gerät er erst einmal in Schwung, kann er aus dem Stegreif etliche Lebensgeschichten Revue passieren lassen. So weiß er etwa auf dem jüdischen Teil des Ostenfriedhofs von Isidor Lauter und Siegfried Richter zu berichten, den Begründern der beiden Kaufhausstandorte in der Hammer Fußgängerzone. „Gerade geht die Kaufhausgeschichte in Hamm zu Ende“, schlägt der Ortsheimatpfleger Hamm-Mitte den Bogen zur Gegenwart.

Manchmal kommt das vor: Themen schlummern länger in Wolfgang Komos Schreibtischschublade und bekommen dann plötzlich eine ungeahnte Aktualität. So wie jene 37-seitige Impfpredigt „Ueber die Pflicht der Aeltern, ihre Kinder durch die Impfung der Schutzblattern, gegen die natürlichen Pocken zu sichern“, die der Hammer Pfarrer Rulemann Friedrich Eylert im Jahr 1806 in der heutigen Pauluskirche hielt. „Eylert fand ich aus anderen Zusammenhängen schon faszinierend“, berichtet Wolfgang Komo. „Er muss ein unglaubliches Redetalent gehabt haben.“ Den Hinweis auf die Predigt zur Pockenimpfung hatte er bereits vor einigen Jahren in einem Buch entdeckt. Wieso Impfen damals zum religiösen Thema geriet, erläutert er nun, in mitten der Coronapandemie, in einem kenntnisreichen Beitrag auf der Website des Hammer Geschichtsvereins.

Dass Wolfgang Komo sich für Geschichte interessiert, liegt in seiner eigenen Biografie begründet. Er stammt aus einem kleinen Dorf unweit von Darmstadt. Anno 1952 wurde er dort am Wohnort seiner Oma mütterlicherseits geboren. Ein geschichtsträchtiger Ort, dieses Jugendheim, weiß er beiläufig zu berichten: „Der Stammsitz der Battenberger.“ Zweifelsohne: Der Mann kennt sich aus, aber – wer sind die Battenberger? – „Prinz Philips Vorfahren“, klärt Komo rasch auf. Will heißen: Die familiären Wurzeln der Mutter des unlängst verstorbenen Prinzgemahls der englischen Königin Elisabeth II: liegen auf dem Heiligenberg, einem idyllisch gelegenen Schloss in Komos Geburtsort.

Mit Jugenheim, wo er die ersten Kindheitsjahre verbrachte, fühlt Wolfgang Komo sich „auf merkwürdige Weise“ verbunden. „Es ist ein Stück Kindheit, das man mit sich rumschleppt und an das man sich gerne erinnert. Das  Wort Heimat gehört irgendwie dorthin, obwohl Hamm für mich inzwischen zur zweiten Heimat geworden ist.“

Nachdem die Familie Komo aus Hessen ins Rheinland umgezogen war, fuhren Wolfgang und seine jüngere Schwester in den Ferien gerne zur Oma. Dort besuchten sie häufiger den Alten Friedhof im nahegelegenen Darmstadt, um dem verstorbenen Opa Blumen aufs Grab zu stellen. Manchmal erzählte die Großmutter dabei Geschichten von anderen längst verflossenen Verwandten. „Damals interessierten wir uns viel mehr für die Eichhörnchen auf dem Friedhof – und für die Tüten mit Nüssen, die der Friedhofswärter am Eingang verkaufte“, gibt Wolfgang Komo schmunzelnd zu. Doch als ihm Jahre später zufällig ein Buch über Darmstädter Friedhöfe in die Hände fiel, machte es Klick. „Grabsteine sind Anlässe, über Personen zu reden“, findet der Hobbyhistoriker. „Manchmal kommt man ganz tief in die Geschichte der Menschen hinein.“

Die Website des Hammer Geschichtsvereins www.geschichtsverein-hamm.de informiert über Veranstaltungen und Projekte des HGV. Auch Wolfgang Komos Ausführungen zur „Impfpredigt“ von Pfarrer Eylert sind dort nachzulesen.

Beitragsbild, Kaufhausgeschichte: Wolfgang Komo zwischen den Gräbern von Isidor Lauter (Kaufhaus Alsberg, dem KaufhofVorgänger) und Siegfried Richter (TerVeen).

In der Mitte folgen:
– Eines Künstlers würdig: Der Grabstein von Erich Lütkenhaus
– Verfallen: Das Grab von Landrat Heinrich Schulze-Pelkum
– Hamm als Bergbaustadt: Ortsheimatpfleger Wolfgang Komo steht vor dem Grab von Heinrich Janssen,
dem ehemaligen Chef der Zeche Radbod zur Zeit des großen Grubenunglücks. Fotos Mroß

Wiedergabe mit freundlichen Genehmigungen von Frau Petra von der Linde vom 28.06.2021,
bzgl. der Fotos von Herrn Reiner Mroß vom 30.06.2021