Aktion Sühnezeichen

Mechtild Brand: Sühnezeichen

Manche Jubiläen sind leise. Unter dem Motto „Dem Frieden Wurzeln geben“ feiert Aktion Sühnezeichen in diesem Jahr (2008 Anm.d.Red.) den 50. Geburtstag.

Als Lothar Kreyssig am Ende der (noch) gesamtdeutschen Synode der EKD im April 1958 in Berlin-Spandau zu einem Sühnezeichen aufrief, prägten ihn wichtige Erfahrungen aus der NS- und Nachkriegszeit. Er war Präses der Bekennenden Kirche in Sachsen in der NS-Zeit gewesen und hatte sich als Richter gegen die Euthanasie gewehrt. Außerdem bestimmte die Diskussion über die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik die gerade abgeschlossene Synode. Kreyssig forderte in seinem Aufruf mit Blick auf das Schweigen der Kirche während der NS-Zeit nicht nur ein Schuldbekenntnis, sondern konkrete Schritte für ein versöhntes Zusammenleben der Menschen. An die, die durch die NS-Herrschaft gelitten hatten, richtete er die Bitte, ihnen helfen zu dürfen. Im Tun miteinander, so hoffte er, könnte man die Sprachlosigkeit zwischen Deutschen und ihren Opfern überwinden, die Bereitschaft entwickeln, sich aufeinander einzulassen und sich zu versöhnen.

Ab 1959 arbeiteten die ersten Freiwilligen von Aktion Sühnezeichen in Bauprojekten in Taize, Coventry und Skopje. Die Einsätze in Israel begannen 1961 nach dem Eichmann-Prozess. Und mitten im Kalten Krieg, 1965, fuhren Gruppen nach Polen und Tschechien, nach Auschwitz, Maidanek, Stutthof, Groß-Rosen, Lidice und Theresienstadt. Sie waren die ersten Deutschen, denen die Überlebenden des Weltkriegs in den Ländern des Warschauer Paktes nach 1945 begegneten. Schwerpunkt der Arbeit von Aktion Sühnezeichen war immer der Einsatz in Ländern, die unter dem NS-Terror gelitten hatten.

Inzwischen haben einige 10.000 Freiwillige ihr Sühnezeichen, die Übernahme von Verantwortung für die Bewältigung der Folgen des NS-Terrors, in die betroffenen Länder getragen. Heute begleiten sie NS-Überlebende in ihrem Alltag, arbeiten in den Gedenkstätten und engagieren sich für Minderheiten und in Antirassismus-Projekten. Jährlich entsendet Aktion Sühnezeichen ca. 180 Freiwillige ins Ausland und holt ca. 20 nach Deutschland. Die Zahl der Teilnehmer in Workcamps und Sommerlagern aus vielen unterschiedlichen Ländern ist hoch. Es sind die vielen unspektakulären Begegnungen, die das Bild prägen, wenn in der Internationalen Begegnungsstätte in Auschwitz junge Polen und Deutsche zu beschreiben suchen, wie ein ganz normales Leben nach der NS-Zeit aussehen muss. Das ist z.B. für einen Bewohner der Stadt Oświęcim (deutsch: Auschwitz) gleich neben der Grauenhaftigkeit der Gedenkstätte ein schwieriges Problem. Es gilt, die konkreten Schwierigkeiten des Anderen zu sehen und dafür Lösungen zu finden.

Der Frieden braucht immer noch neue Wurzeln. Aktion Sühnezeichen hat sich in den 50 Jahren verändert, ist aber bestimmt nicht überflüssig geworden.

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, die Evangelische Akademie zu Berlin und die Evangelische Kirchengemeinde in der Friedrichstadt laden ein zum Gottesdienst zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021  (per Livestream)

Beitragsbild: ASF/Helena Schätzle, zwei Freiwillige in Oświęcim, mit freundlicher Genehmigung von Ute Brenner, Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., 29.01.21, Berlin.